Marketingtrends 2021

Im Dezember war ich Teil einer hybriden Podiumsdiskussion zum Thema Marketingtrends 2021. Dort wurde munter diskutiert, wie sich das Marketing in Zukunft verändert. Hier eine Zusammenfassung meiner Gedanken, welche Trends und Veränderungen die Marketingwelt in 2021 treffen werden.

Bevor ich auf einzelne Entwicklungen eingehe, ist mir wichtig, klarzustellen, dass keiner der folgenden Trends etwas komplett Neues darstellt. Kaum eine Entwicklung entsteht über Nacht, schon gar nicht zum Jahreswechsel. Daher geht es vor allem um Dinge, bei denen im neuen Jahr besondere Relevanz oder besonderer Rückenwind zu erwarten ist.

Agilität: Starten wir mit dem Buzzword schlechthin. Bullshit-Vokabular hin oder her, das was dahinter steckt, wird zunehmend wichtiger: Reaktionsschnelligkeit, Anpassungsfähigkeit, Dynamik. Was in sozialen Netzwerken schon lange als Erfolgsrezeptur vieler erfolgreicher Seiten gilt (hier spricht man zumeist von Real Time Marketing), wird in einer zunehmend schnelllebigen Welt noch wichtiger. Beschleunigt wird das Ganze außerdem durch die COVID19-Pandemie, die dazu führt, dass sich Lebensrealitäten und somit Konsumverhalten kurzfristig ändern und Unternehmen “auf Sicht fahren”, was oft als Metapher für einen kurzen Planungshorizont herangezogen wird. Wo vorher über Monate hinweg auf eine Messe oder eine ähnliche Großveranstaltung (Fußball Europameisterschaft, Wacken Open Air, OMR Festival) hin geplant wurde, kann man per heute nicht final beantworten, ob diese Events stattfinden und wenn ja, unter welchen Bedingungen. Ohne entsprechende Flexibilität (Agilität) wird es also eng. Auch wenn wir an das veränderte Nachfrageverhalten denken, stellt Agilität einen großen Wettbewerbsvorteil dar. Wer hätte im Januar 2020 damit gerechnet, dass die Nachfrage nach Bildschirmen, Fahrrädern, Möbeln/Heimzubehör (Aktienkurs Westwing), Streamingdiensten (well done, Disney), Haustieren (*angry emoji*), eCommerce allgemein, Toillettenpapier und so weiter quasi über Nacht derartig steigen würde? Wer sich schnell anpassen konnte, kann mit höherer Wahrscheinlichkeit von sich behaupten, gut durch die Coronazeit gekommen zu sein.

Purpose: Ein weiteres Phänomen, das durch Corona weiter befeuert wurde, ist das werteorientierte Marketing. In mehreren Vorträgen, die ich im Frühjahr u.a. an der Fachhochschule Dortmund gehalten habe, habe ich davon gesprochen, dass das Zeitalter des “Purpose Driven Marketing” bereits seit einigen Jahren im Gange ist.

Auszug aus der Präsentation “Purpose Driven Marketing” | (c) Kevin Pamann

Wie viele andere Trends wurde auch dieser Trend durch Corona verstärkt. Kurzfristig galt es als Gesellschaft stärker denn je zusammenzuhalten. Beispiele gefällig? Daimler verzichtete in teuersten Fernsehwerbespots auf jegliche Produktdetails oder sogar das eigene Logo und warb stattdessen ausschließlich mit dem Slogan #STAYHOME (zumindest in ihrer Hausschrift), Coca Cola entzerrte wegen COVID das eigene Logo (“C O C A C O L A”) und kommunizierte ausschließlich die Botschaft “Staying apart is the best way to stay united”. Oder aber mein Lieblingsmove während dieser Zeit: Da die Restaurants von McDonalds während des ersten Lockdowns 2020 geschlossen sind, stellen sie ihre Mitarbeiter:innen kurzfristig ALDI zur Verfügung, um die Versorgung auf Seiten des Einzelhandels aufrecht zu halten. Aber auch unabhängig von Corona zeigen Brands wie Nike, dass es heutzutage enorm wichtig ist, für gesellschaftliche Werte einzustehen – man erinnere sich u.a. an den Case rund um Colin Kaepernick. Heutzutage erwarten 84% aller 19-35 Jährigen, dass Marken zu gesellschaftlichen Themen Stellung beziehen und verantwortungsvoll handelt/wirtschaften. Ein ordentlicher Wertekompass wird zukünftig also auch ökonomisch zunehmend Wert stiften.

Vertrauen:: Trust entwickelt sich dann, wenn Erwartungshaltung auf Realität trifft. Und dieses Vertrauen wird für Konsumenten zunehmend wichtiger. Beispiel Apple: Seit einigen Jahren wird man keinen Quartalsbericht und keine Pressemitteilung des kalifornischen Techgiganenten finden, in der die Vokabel “privacy” nicht vorkommt. Apple positioniert sich ganz offensiv als das Unternehmen, das Privatsphäre und private Daten respektiert. Und man kann sicher sein, dass sie schon jetzt haufenweise Marketingmaßnahmen in der Schublade haben, die sie hervorziehen, sobald einer der anderen Tech-Konzerne (Google, Facebook, Zoom, you name it) mal wieder Schwierigkeiten mit dem Thema Datenschutz hat. Insgesamt gibt es die Entwicklung, dass Menschen nach Marken suchen, denen sie vertrauen können. In Bezug auf Datenschutz, fairen Umgang mit Mitarbeiter:innen, verantwortungsvollen Umgang mit der Umwelt und so weiter. Wer es schafft, die Erwartungshaltung zu übertreffen, kann sogar besondere Potenziale heben. Nicht wenige Onlineshops kommunizieren bewusst ein voraussichtliches Lieferdatum, das sie mit hoher Wahrscheinlichkeit schlagen können. Durch das Übertreffen der Erwartungen gewinnt der Shop überproportional an Vertrauen oder Bewertungen. Apropos Bewertungen: Wer von euch kauft heutzutage noch online, ohne vorher die Bewertungen überprüft zu haben (Commodities wie Flaschenpost ausgenommen)? Ist euch aufgefallen, wie offensiv die Ecommerce-Player nach eurem Feedback fragen? Onlineshops, die qualitativ hochwertige Bewertungen von echten Usern zu ihren Produkten einholen, werden in der Regel besser performen als Shops ohne Bewertungen. Wer auf der Suche nach einem positiven Benchmark für Bewertungen ist, sollte sich das Musikhaus Thomann anschauen. Konstruktive und ausführliche Texte, Teilbewertungen der Produkte z.B. nach Feature/Sound/Verarbeitung und echte Menschen, die hier bewertet haben. Das ist kein Zufall, sondern hier wurde der strategische Wert der Bewertungen erkannt. Um dieses Feature zu fördern, werden bspw. jeden Monat Gutscheine von bis zu 1.000€ von Thomann unter allen Bewerter:innen vergeben.

Am Rande der “Trust-Economy” profitieren auch Unternehmen wie Trustpilot, deren Traffic in den letzten fünf Jahren stark zugenommen hat. Quelle: Trendstastic.

Das alles bedeutet auch, dass Markenbotschafter, Testimonials und Influencer sich differenzieren können, indem sie sich eine gewisse Kredibilität aufbauen. Gerade in Branchen, wo es bspw. um Gesundheits- oder Finanzprodukte geht, wird ein tatsächliches Knowhow immer wichtiger. Warum Jürgen Klopp trotzdem Werbung für Privatkredite (neben Weissbier, PKWs und eigentlich auch sonst fast alles) macht? Keine Ahnung.

Weitere Trends, die aktuell Rückenwind haben:

Social Shopping: Vermutlich ist euch der Term Social Distancing zuletzt häufiger begegnet als Social Shopping. Beide Dinge korrelieren aber. Denn beim Social Shopping geht es darum, im digitalen Raum mit Kundinnen und Kunden zu interagieren. Das ist a) etwas, was im herkömmlichen Ecommerce schwerfällt und b) etwas, was in Pandemiezeiten umso mehr nachgefragt wird. Diesen Rückenwind nutzen bspw. Onlineshops, indem sie euch ein Chatfenster eröffnen, in dem ihr mit einer Beraterin bzw. einem Berater chatten könnt. Oder die großen Techkonzerne, die aktuell hart daran arbeiten, dass man zukünftig bspw. über Instagram-Live Produkte vertreiben kann. Also kein Wechseln mehr zwischen den Plattformen, sondern unmittelbare Transaktion über Instagram. Wie das alles konkret aussehen kann? Borussia Dortmund möchte ein neues Trikot gestalten. Dazu laden sie euch zu ihrem Livestream via Instagram oder Twitch ein, um euch einzubeziehen, eure Wünsche aufzunehmen und mit euch zu interagieren (aus Konsument wird Prosument). Einige Monate später wird die Trikotpräsentation live gestreamt, sodass sich Fans untereinander austauschen können, Feedback geben können und sogar die Kaufabwicklung funktionert über dieselbe Plattform. Chats und Videos sind hier aber nur die Spitze des Eisbergs. Während ich diesen Text schreibe, arbeiten weltweit tausende smarte Menschen daran, das Shoppingerlebis immer sozialer zu machen. Was dabei rauskommt? Ich halte meine Ohren offen.

Simplicity: Ist euch aufgefallen, dass Netflix einen Shuffle-Button eingeführt hat? Und einen linearen Kanal gibt es mittlerweile auch. Was das soll? Netflix weiß, dass der durchschnittliche User extrem lange Zeit benötigt, um den richtigen Content für sich zu finden. Das Resultat: Bis heute gehören altbekannte Serien wie Friends oder Grey’s Anatomy zu den meistgeschauten Sendungen. Die große Auswahl ist so erdrückend, dass der durchschnittliche User:in sich auf altbekannte Titel verlässt. Der Mensch ist evolutionär immer noch sehr darauf gepolt, effizient mit seinem Energiehaushalt umzugehen, denn dies ist die wichtigste Ressource, die letztlich das Überleben sichert. Sich auf eine neue Serie einzulassen ist kognitiv fordernder als eine altbewährte Serie zu schauen. Klar also, dass der Durchschnitt zur einfachen Handlung neigt. Die Lehre für alle Marketers: klare Botschaften. Einfache Handlungsoptionen aufzeigen. Komplixitäten reduzieren. Benchmark ist für mich Bett1: “Gut schlafen für wenig Geld” oder “Deutschlands meistverkaufte Matratze” sind einfache Botschaften, die wirken. Dazu kommt eine beruhigte Bildsprache und ein aufs Nötigste reduzierter Produktkatalog. Mein zweites Beispiel ist die Trading-App Trade Republic. Der Handel von Wertpapieren an den Börsen wird, so zumindest meine Vermutung, von großen Teilen der Gesellschaft immer noch gemieden, weil die Komplexitität der Finanzmärkte schnell überfordern kann. In der Trade Republic App gelingt es dem User intuitiv, sich durch den Finanzdschungel zu navigieren. Simplizität als Erfolgsformel.

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